Speaker um jeden Preis? Von Geiz ist Geil zu mehr Realismus und Wertschätzung

Wenn Sie im Eventbereich arbeiten, dann haben Sie vermutlich häufig Kontakt zu Speakern. Sie recherchieren nach passenden Expertinnen und Experten, die Ihr Konferenzthema durch Fachwissen und Erfahrungen redegewandt an die Teilnehmenden bringen. Aber auch, wenn Sie nichts mit der Organisation oder Planung von Veranstaltungen zu tun haben, kommen Sie vielleicht dennoch regelmäßig mit Speakeranfragen in Berührung – dann nämlich, wenn Sie selber als Speaker zu Ihrem Fachgebiet unterwegs sind.

Ich kenne inzwischen beide Seiten gut: zum einen habe ich viele Jahre als Eventplanerin mitunter recht namhafte Speaker gebucht und betreut. Zum anderen bin ich seit mehreren Jahren durch meine Tätigkeit als Eventconsultant zu verschiedenen Eventthemen mehr und mehr selbst als Speaker unterwegs. Und ich kann Ihnen sagen: es gibt Redebedarf. Hier geht meines Erachtens im Miteinander von Veranstaltern und Speakern grundlegend etwas schief.

Ich möchte an dieser Stelle nicht auf das oft genannte Ungleichgewicht zwischen männlichen und weiblichen Speakern eingehen. Das ist ein eigenes Thema und braucht den nötigen Raum – vielleicht ein Thema für einen meiner nächsten Blogposts.

Mir geht es hier vielmehr um Wertschätzung für Leistung und um einen realistischen Blick auf das eigene Können, aber auch auf das Können von fremden Speakern. Und all das lasse ich mit dem einen oder anderen Augenzwinkern, aber durchaus ernst gemeint, in diesen etwas längeren Blogpost fließen.

Ausgewiesene Experten zum Nulltarif

Eigentlich ein Widerspruch in sich, aber viele Speaker unter Ihnen kennen diese Situation. Sie werden als ausgewiesener Experte zu Ihrem Thema für einen Vortrag angefragt, umfangreiches Fachwissen ist nötig sowie Erfahrung als Redner. Bitte zum möglichst kleinen Honorar, besser auf „Win-Win-Basis“.

Ich frage Sie ganz direkt: Gehen Sie in ein Autohaus, um sich Ihr Wunschauto auszusuchen, das Sie natürlich zum kleinen Preis mitnehmen möchten – besser auf „Win-Win-Basis“? Und werden Sie als Gegenleistung überall erzählen, wie toll das betreffende Autohaus ist? Oder werden Sie bei Ihrem nächsten Friseurbesuch Ihr Standardpaket Waschen, Schneiden, Färben mit einem Kuchen bezahlen? Sie schmunzeln? In der Welt der Speaker ist das Alltag.

Speaker um jeden Preis

Um sich dem Thema anzunehmen, ist eine differenzierte Sicht erforderlich – auch auf die eigene Zunft. Denn machen wir uns nichts vor: Es gibt leider zahlreiche Speaker, die sich selbst ohne nachgewiesenes Fachwissen zum Influencer und Topspeaker ernennen. Viele nehmen scheinbar jeden Vortrag an – gerne auf „Win-Win-Basis“ oder ganz deutlich gesagt: kostenlos. Aber was genau bedeutet eigentlich „Win-Win“? Der Begriff kommt ursprünglich aus der Konfliktforschung und beschreibt eine Methode, Konflikte durch Kommunikation für beide Seiten respektvoll und verständnisvoll zu lösen (vgl. Win-Win-Strategie).

Was aber ist im Zusammenspiel zwischen Veranstalter und Speaker mit „Win-Win“ gemeint? Im Prinzip ist es nichts anderes als ein Tauschgeschäft: Der Veranstalter bietet dem Speaker eine Plattform, sich zu präsentieren, neue Kontakte vor Ort zu knüpfen. Über Marketingkanäle und veröffentlichte Programme wird der Speaker genannt mit der Aussicht auf weitere Kunden, sprich Anfragen als Speaker. Und der Speaker? Der bringt seine Vortragsvorbereitung, sein Know-how, seine Zeit und natürlich den Vortrag an sich ein – ohne ein monetäres Honorar.

Was kostet ein guter Vortrag?

Für mich ist ein ganz wesentlicher Grundstein des Zusammenarbeitens in den Hintergrund gerückt: Leistung kostet Geld. Punkt. Wenn ich auf Nachfrageseite bin und eine Leistung anfrage und beauftrage, muss ich diese auch bezahlen. Da gibt es keine Unterschiede zu anderen Leistungen, Produkten oder Branchen. Ergo: Wenn ich mir die Leistung nicht leisten kann, bekomme ich sie nicht.

Warum aber sprechen so viele Redner zum Nulltarif und verbreiten ihr Wissen und ihre Erfahrung kostenlos? Vermutlich gibt es so viele Gründe, wie es Speaker gibt. Deshalb beschreibe ich die Faktoren, die aus meiner Sicht für oder gegen einen kostenlosen Vortrag sprechenden.

Vorträge als reines Marketinginstrument

Für mich sprechen die folgenden vier Faktoren unter Umständen für einen kostenlosen Vortrag:

  1. es handelt sich um eine Messe oder ein Netzwerktreffen in kleinem Rahmen
  2. der Vortrag dient als reines Marketinginstrument, um z.B. ein neues Produkt oder eine Leistung vorzustellen
  3. der Vortrag dauert nicht länger als 15-20 Minuten und geht nicht in die Tiefe
  4. die Initiative geht in der Regel vom Speaker aus

Was habe ich als Speaker davon?

Für mich ist so ein Kurz- oder Impulsvortrag eine gute Möglichkeit, auf ein neues Angebot aufmerksam zu machen. Mitunter möchte man als Redner auch Reaktionen und Meinungen der Teilnehmenden bekommen, um weiter an einem Produkt zu arbeiten. Ich setze dabei aber ebenso auf die Marketingaktivitäten des Veranstalters und dessen Reichweite.

Was hat der Veranstalter davon?

Der Veranstalter bekommt einen hochwertigen Kurzvortrag, um sein Programm ansprechend zu gestalten und möglichst viele Teilnehmer für sein Programm zu begeistern. Die Bekanntheit des Redners wird zu eigenen Marketingzwecken genutzt mit dem Ziel, das Image als interessanter Veranstalter zu stärken und mehr Teilnehmer zu generieren.

Vorträge zum Wissenstransfer

Hier wird definitiv Honorar fällig, denn wenn Vorträge ganz bewusst dem Transfer von Fachwissen dienen sollen, geht es um eine fachliche Leistung, die bezahlt werden muss. Bei diesen Vorträgen handelt es sich zum Beispiel um Fachvorträge oder Keynotes, bei denen besonderes Fachwissen gefordert ist. Diese Vorträge dauern in der Regel länger als Impulsvorträge und gestalten sich deshalb in der Vorbereitung wesentlich aufwendiger. Hier wird zum einen in die fachliche Tiefe gegangen und auf individuelle Wünsche des Veranstalters eingegangen. Zum anderen werden neue oder herausragende Positionen vertreten, die einen großen Mehrwert für die Zuhörer bedeuten. In der Regel erfolgt hier die Initiative vom Veranstalter heraus, das heißt, der Speaker wird aktiv angefragt.

Hier seitens des Veranstalters eine Honorierung offen zu verweigern und auf eine „Win-Win-Basis“ hinzuweisen ist mehr als unprofessionell. Es wird hier schlichtweg die mangelnde Wertschätzung für die Leistung des Speakers deutlich, dessen Erfahrung und darüber hinaus dessen Namen auf diesem Fachgebiet.

Wie sich die Höhe des Honorars berechnet, ist dagegen eine nicht einfach zu beantwortende Frage. Faktoren wie nachweisliche Erfahrung auf dem Fachgebiet, Veröffentlichungen, aber auch Erfahrungen und Reputation als Speaker zu diesem Thema bestimmen die Höhe des Honorars. Kommt dann noch die Bekanntheit aus Medien wie Fernsehen oder Radio und natürlich heute auch der sozialen Medien hinzu, steigt das Honorar gleichermaßen.

Nicht jeder ist ein Superstar

Heute schlägt mir häufig eine ungute Einstellung entgegen: es sollen möglichst hochkarätige Speaker zu möglichst wenig (oder besser gar keinem) Geld engagiert werden und manch Veranstalter sieht sich in der Rolle eines Gönners, dem der Speaker dankbar sein kann, bei dessen Veranstaltung sprechen zu dürfen. Hier läuft etwas schief und die Gründe dafür sind nicht nur auf einer Seite der Protagonisten zu suchen.

Die Speaker selbst müssen wieder zu einer realistischen Selbsteinschätzung kommen. Nicht jeder hat das Zeug zum „Superstar“, und zu Beginn einer beruflichen Karriere gehört man selten in die Riege der Keyspeaker, sondern braucht erwiesene Erfahrung und Reputation. Dasselbe gilt für die Einschätzung der eigenen Honorargrößen und das sowohl in den oberen als auch in den unteren Bereich. Sich selbst weit unter Wert zu verkaufen, nur um einen Vortrag zu bekommen, macht spätere Verhandlungen nach höheren Honoraren schwerer und erschwert es zudem Speakerkollegen mit realistischen Honoraren, gute Speakeraufträge zu bekommen.

Seitens der Veranstalter sollte die noch immer gängige Einstellung „Geiz ist geil“ Vergangenheit werden und einer realistischen Wertschätzung von Leistung, die ein guter Speaker erbringt, weichen. Und auch Begründungen wie „immer schmalere Budgets“, „Druck von oben“, die den Speaker nötigen sollen, auf sein berechtigtes Honorar zu verzichten, sollten der Vergangenheit angehören. Denn machen wir uns nichts vor: es kommt auch in der heutigen Zeit in der Veranstaltungsplanung auf die richtigen Prioritäten an. Und wenn es ein hochkarätiger Redner sein soll, hat dieser seinen Preis.

Wertschätzung muss gelebt werden, Leistung muss anerkannt und honoriert werden – ganz gleich in welchem Bereich. Wir alle werden letztlich an unserem Tun gemessen, nicht an unseren Worten oder Erklärungen.


Wie ist Ihre Erfahrung zu diesem Thema? Schreiben Sie mir gerne Ihre Gedanken an info@hoffmannevent.de

Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

  1. Wunderbar auf den Punkt gebracht!
    Impulsvorträge im kleinen Rahmen, ohne Honorar um sich bekannt zu machen, völlig ok. Aber niemand, vor allem wir Frauen, sollten den Sprung zum Experten nicht verpassen und unser Wissen nicht umsonst hergeben!
    Die Zeit und der Umbruch ist da und die Bereitwilligkeit gutes Honorar für gute Vorträge zu zahlen ist in einigen Unternehmen schon angekommen.
    Bleiben wir also dran! Weil wir es wert sind!

    1. Liebe Bianca,

      vielen Dank für Dein schönes Feedback. Und ja, vor allem wir Frauen lassen uns allzu oft mit unseriösen Honoraren oder „Win-Win“ abspeisen. Bleiben wir dran! Herzliche Grüße, Kerstin

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