(Geschrieben 2017 – Anfang 2022 überarbeitet)
Immer wieder wird in der Eventbranche eine Diskussion über Werte geführt. Es wurden Kodizes entwickelt, denen man sich anschließen sollte, um ein Statement zu echten Werten zu setzen, Bekenntnisse zu Nachhaltigkeit liest man allenthalben. Doch ändert sich wirklich etwas? Wie gehen wir eigentlich miteinander innerhalb der Branche um? Im Folgenden lesen Sie meine ganz eigenen Gedanken dazu.
Schleichender Werteverlust
Schon viele Jahre kann man beobachten, dass sich das Miteinander in unserer Gesellschaft verändert hat. Es wird häufig von einer Ellenbogengesellschaft gesprochen, in der sich jeder zuerst seinen Platz verschaffen und seine Interessen vertreten will – notfalls auch mit rauen Methoden. Dass der Begriff der Ellenbogengesellschaft nicht neu ist, zeigt die Tatsache, dass er bereits 1982 zum Wort des Jahres in Deutschland erklärt wurde.
Warum regen wir uns dann eigentlich (erst) heute darüber auf? Ist das Problem der mangelnden Werte denn erst heute in der Eventbranche angekommen? Und lassen sich wichtige Werte durch Regularien und Sanktionen wirklich zurückholen?
Was Hänschen nicht lernt, …
…lernt Hans angeblich nimmermehr. Dieses alte Sprichwort trifft glücklicherweise nicht immer zu, denn auch im Alter ist Lernen gut und möglich. Doch wenn es um Werteverlust geht, dann sehe ich hier einen Hauptgrund dafür. Was wir als Kind von unseren Eltern, Lehrern, Verwandten an Werten vorgelebt bekommen, werden wir in der Regel übernehmen, wenn es uns sinnvoll erscheint und wir gute Erfahren damit erlebt haben. Es klingt ein wenig abgedroschen, aber hier liegt für mich ein wichtiger Grund, warum es vielen Erwachsenen heute schwer fällt, grundlegende Werte im sozialen Miteinander ganz selbstverständlich anzuwenden: es wird Kindern zu wenig davon vorgelebt.
Vorleben, darüber sprechen, Folgen aufzeigen – das ist es, was Kinder prägt in jeder Hinsicht und macht es spürbar einfacher, auch als Erwachsener ein wertebewusstes Leben zu führen.
Handeln statt reden
Bereits Konfuzius war der Meinung, dass es nicht allein die Worte sind, nach denen ein Mensch beurteilt wird:
„Ein edler Mensch beurteilt niemanden nur nach seinen Worten. In einer kultivierten Welt blühen Taten, in einer unkultivierten Welt Worte.“
Wir können noch so schöne Beiträge schreiben, Vorträge halten oder Kodizes entwerfen, die das Einhalten von ethischen Werten wie Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit, Respekt oder auch Wertschätzung einfordern, wenn wir uns selbst nicht daran halten. Schnell sind Versprechen gemacht oder Statements veröffentlicht. Wenn diese Versprechen nicht gelebt werden, sowohl im privaten als auch im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereich, bleiben sie nichts als heiße Luft. Hier können und müssen bei schweren Verstößen gegen abgegebene Erklärungen Konsequenzen folgen. Unser Rechtssystem gibt hier einiges her.
Aber wer entscheidet über Konsequenzen für die alltäglichen Respektlosigkeiten, die jeder von uns hier und da vor Wut schnaufend über sich ergehen lässt oder sich im Streit die Haare rauft? Da liegt es wohl eher an uns selber, wie er damit umgeht. Konsequent Nein zu sagen zu einem wertfreien Verhalten, ist da der erste Schritt. Wenn das viele tun würden, gäbe es eine Art Selbstregulation und es wäre wieder spannend, über Werte zu glänzen.
Leistung hat einen Wert
„Geiz ist geil“ hieß es vor einigen Jahren in einem Werbespot einer Elektronikhandelskette. Es war in geworden, zu sparen, wo es nur geht. Sparsam zu sein, mit Ressourcen zu haushalten ist eine gute und wichtige Eigenschaft. Doch wenn daraus ein Preiskampf entsteht, unter dem nach und nach die Qualität von Produkten oder Leistungen leidet oder gar Anbieter nicht mehr mithalten können, dann geht die Sparsamkeit einen falschen Weg.
Auch im Veranstaltungsbereich ist diese Haltung mitunter zu finden. Weit mehr: Sie hat sich vielerorts etabliert. Zum Beispiel bei aufwendigen Pitches um den Zuschlag für Eventprojekte, die überhaupt nicht oder nur so gering honoriert werden, dass der Aufwand für kleinere Teams oder Agenturen kaum zu stemmen ist.
Auch werden Trainerhonorare nicht selten in den Bereich der symbolischen Bezahlung nach unten gedrückt. Veranstaltungsredner werden häufig mit Netzwerkkontakten „entlohnt“ anstatt mit angemessenen Honoraren. Leistung hat einen Wert und dieser muss sich deutlich zeigen. Wir können nicht von Werten wie Respekt und Wertschätzung sprechen und beides unseren Geschäftspartnern verwehren.
Ein branchenübergreifendes Problem
Um es noch einmal ganz klar zu machen: Der Werteverfall ist keinesfalls ein Problem der Eventbranche, und er ist leider auch nicht neu. Auch die Corona-Pandemie hat daran leider nichts geändert, obwohl wir anfangs dachten, durch die Lockdowns, die Reisebeschränkungen und die erzwungene Beschäftigung mit uns selbst und unserer nahen Umwelt würden eine Art Läuterung und die Rückbesinnung auf das Wesentliche und auf gute Werte hervorbringen. Dem war nicht überall so.
Es ist gut und wichtig, sich um einen wertebewussteren und respektvolleren Umgang, aber auch um einen schonenderen Umgang unserer Ressourcen (ökologisch, ökonomisch, aber auch menschlich!) zu bemühen. Das beinhaltet unbedingt auch ein wertschätzendes und respektvolles Miteinander im täglichen Business. Das muss in jedem Unternehmen von der Führung bis in alle Mitarbeiterbereiche hin vorgelebt und das Wissen darum jederzeit aufgefrischt werden. Dazu gehört auch eine klare Kommunikation über die eigenen Werte: z.B. dass im eigenen Unternehmen an keinen kostenlosen Pitches teilgenommen wird oder dass bei eigenen Veranstaltungen jeder Mitwirkende, ob Stagehand oder Referent, eine angemessene Entlohnung bekommt.
Wertebewusstes Verhalten sollte honoriert werden mit Aufträgen, mit guten Referenzen oder Empfehlungen. Für mich der beste Weg, damit sich Werte nach und nach wieder etablieren und zum klaren Vorteil werden können. Das alles braucht Zeit, Durchhaltevermögen und Mut und sicher auch eine öffentliche Diskussion. Allerdings müssen sich Werte dann von innen aus den Unternehmen heraus bilden und entwickeln. So ist die Chance für mich am größten, dass sie auch gelebt werden.